Können die europäischen Länder ohne Geoblocking Erfolg haben?

Die Europäische Kommission hat dem Geoblocking den Kampf angesagt. Doch ist diese Praktik wirklich so wettbewerbsschädigend wie behauptet wird?

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Dominic Dithurbide

22. Juni 2016

LESEDAUER: 4 MIN.

Die Europäische Kommission hat kürzlich angekündigt, das Geoblocking verbieten zu wollen. Bei dieser weit verbreiteten Online-Technik beschränken Unternehmen je nach geografischem Standort eines Nutzers dessen Zugang zu ihren internationalen Websites. Dadurch werden Verbraucher davon abgehalten, Produkte und Dienstleistungen aus anderen Ländern zu beziehen, in denen diese möglicherweise günstiger sind.

Eines der bekanntesten Beispiele einer solchen Preisdiskriminierung ist die „australische Steuer". In Australien können die Preise bestimmter Produkte um bis zu 88 % höher als auf anderen Märkten sein.

Die EU-Komission, die Exekutive der Europäischen Union, hat diese Technik als wettbewerbswidrig bezeichnet, vor allem in der EU. „Verbrauchern wird online allzu oft der Zugang zu Angeboten aus anderen Ländern versagt“, hieß es in einer Stellungnahme. „Zu einer solchen Diskriminierung darf es auf keinem Markt kommen.“

Laut einer von der EU-Kommission veranlassten Umfrage aus dem Jahr 2015 nutzen über 60 % der europäischen Websites Geoblocking. Annähernd die Hälfte der Betreiber dieser Websites stellten im Vorfeld keine Informationen über die Lieferbeschränkungen oder geografisch bedingten Beschränkungen bereit.

Einfach ausgedrückt würde die kürzliche Forderung der EU-Kommission, das Geoblocking verbieten, die grenzüberschreitende Paketzustellung optimieren und die Diskriminierung regional bevorzugter Zahlungsmethoden einschränken.

Es ist nur allzu verständlich, dass sich die meisten Verbraucher und somit auch Verbraucherschützer gegen das Geoblocking sträuben. „Wir leben heute in einem globalen Dorf, in dem für alle dieselben Wettbewerbsbedingungen gelten sollten – Ein einziger digitaler Markt würde den Wettbewerb begünstigen und das Wachstum der globalen Wirtschaft fördern“, schrieb ein Technologie-Blogger.

Doch ist die Technik tatsächlich so wettbewerbswidrig, wie die EU-Kommission eindringlich behauptet? Wir haben kürzlich mit Francesco Rocchi, einem Global Online Strategist unseres Global Growth Teams, gesprochen, um mehr zu diesem Thema zu erfahren.

Es geht ums Geld

Eine Abschaffung des Geoblockings würde sicherlich zum Wachstum innerhalb der EU führen. Heute tätigen etwa 70 % der in der Europäischen Union lebenden Internetnutzer ihre Einkäufe online. Im Jahr 2014 erzielte der E-Commerce innerhalb der EU Umsätze in Höhe von 368 Milliarden EUR (414 Milliarden USD). Und während der inländische E-Commerce im Lauf der kommenden zwei Jahre um etwa 14 % an Wachstum erzielen wird, werden internationale Verkäufe zu einem Umsatzwachstum von enormen 40 % führen – Bei dieser Prognose sind die positiven Folgen der Forderung der EU-Kommission noch nicht berücksichtigt, sollte dieser Folge geleistet werden. (Es wird davon ausgegangen, dass dieser Forderung im kommenden Jahr zugestimmt wird.) Im Rahmen einer Studie von Accenture gab ein Viertel der Befragten an, dass eine Steigerung ihrer Umsätze um mindestens 25 % möglich sei, falls sie ihre Produkte in Europa grenzüberschreitend online vertreiben könnten. Einige nehmen bereits „eine offensivere Position ein und sind bereit, die Herausforderungen des grenzüberschreitenden Handels in Europa anzunehmen“, hieß es in dem Bericht.

Mit einem Anteil von über 90 % der in der Europäischen Union lebenden Verbraucher, die einen grenzüberschreitenden E-Commerce in Form eines „einzelnen Marktes“ bevorzugen würden und immer mehr Händlern, die sich für diese Vorstellung erwärmen können, verwundert es doch sehr, dass das Geoblocking in dieser Region noch immer so weit verbreitet ist.

Laut Rocchi liegt dies daran, dass Unternehmen stets danach streben, auf ihren betreffenden Märkten immer eine maximale Marge zu erreichen.

„Gehen wir einmal davon aus, dass ein Händler auf seiner niederländischen E-Commerce-Website ein bestimmtes Produkt für 50 EUR anbietet“, sagte er. „Und nun nehmen wir noch an, dass derselbe Händler dieses Produkt auf seiner polnischen Website für 30 EUR anbietet. Es liegt an verschiedenen wirtschaftlichen Faktoren, dass dieser Preis niedriger ist. Dennoch würden niederländische Verbraucher verständlicherweise Geld sparen und daher das Produkt auf der polnischen Website kaufen wollen. Doch falls dieser Fall eintreffen sollte, würde der Händler pro verkauftem Produkt gegenüber einem möglichen Verkauf auf der niederländischen Website Umsatzeinbußen von 20 EUR erleiden.“

Und an dieser Stelle kommt das Geoblocking ins Spiel. Selbst wenn die niederländischen Verbraucher versuchen sollten, direkt auf die polnische Website zuzugreifen, würden sie „unsanft“ auf die niederländische Website des Händlers umgeleitet werden. Auf diese Art werden Umsatzeinbußen vermieden.

Eine Win-win-Situation

Laut Rocchi gibt es eine Möglichkeit, wie Unternehmen weiterhin die Kontrolle über die Preise ihrer Produkte auf lokalen Märkten behalten, aber gleichzeitig auf Geoblocking verzichten und alle Verbraucher in der Europäischen Union bedienen können.

„Ein Unternehmen, das verschiedene europäische Märkte bedient, wird definitiv daran interessiert sein, Verbraucher zu den optimalen Versionen seiner Website weiterzuleiten“, erklärte er. „Und mit „optimal“ beziehe ich mich nicht einzig darauf, dass dadurch seine Margen maximiert werden könnten, sondern vor allem auch darauf, dass auf diesen Websites die Produkte angeboten werden, die für diese Einkäufer am interessantesten sind.“

Zur Veranschaulichung nannte Rocci das Beispiel eines Online-Lebensmittelhändlers und erklärte, dass italienische Verbraucher sich höchstwahrscheinlich für eine Website interessieren würden, auf der Spaghetti verkauft werden, während deutsche Verbraucher wohl eher an Sonderangeboten von Brezeln interessiert wären. Außerdem sagte er uns, dass all diese Verbraucher es bevorzugen würden, diese Inhalte in der von ihnen bevorzugten Sprache angezeigt zu bekommen.

Allerdings stellt laut Rocci die Forderung der EU-Kommission noch keine endgültige Lösung der marktspezifischen Preisdiskriminierung (oder „Preislokalisierung“, wie wir dies nennen) dar. „Es wird vorgeschlagen, dass Verbraucher einen uneingeschränkten Zugang zu den Websites eines Unternehmens erhalten sollten, über die dieses Unternehmen benachbarte Märkte bedient“, erklärte er. „In diesem Fall könnten Händler noch immer mittels Geotargeting einen Preis präsentieren, der für ausländische Einkäufer angemessen wäre.“

Somit wäre sichergestellt, dass Unternehmen online auf zahlreichen Märkten in Wettbewerb treten und Verbraucher auch grenzüberschreitend Einkäufe in der von ihnen bevorzugten Sprache tätigen könnten, falls sie dies möchten. Das ist eine Win-win-Situation.

„Falls ein Unternehmen die Mehrheit seiner Kunden auf die gewünschte lokale Version seiner Website leiten kann, ist eine enorme Steigerung der Konversionsraten möglich ...“, sagte Rocci, „da es Menschen bevorzugen, sich in der von ihnen bevorzugten Sprache über Produkte zu informieren und Käufe zu tätigen. Dadurch sind ebenfalls Steigerungen der durchschnittlichen Margen und der Seitenzugriffe durch wiederkehrende Besucher der Website möglich.“

Der kundenfreundliche Weg

Unternehmen können laut Rocci durch gezielte und leistungsstarke Initiativen für nutzerfreundliche Einkaufserlebnisse sorgen:

  1. Durch Bereitstellung marktspezifischer Versionen einer Website in den regional bevorzugten Sprachen können die Konversionsraten, die Anzahl der Seitenzugriffe und die Kundeneinbindung gesteigert werden
  2. Durch übersetzte Sitemaps und angemessene „Hreflang“-Tags für Suchmaschinen, können organische Seitenzugriffe auf der für den Markt ansprechenden Website generiert werden
  3. Eine Bereitstellung „sanfter“ Umleitungen auf die entsprechende lokale Website (anstatt Verbraucher durch aktuell häufig genutzte „unsanfte“ Umleitungen abzuschrecken) bietet große Erfolgschancen
  4. Optimierungen der Nutzererfahrungen auf der lokalisierten Website bieten Verbrauchern einen wirkungsvollen Anreiz, länger auf der Website zu verweilen („Dies kann durch lokalisierte Kampagnen, Inhalte, Inventarlisten und vieles mehr erreicht werden“, erklärte Rocci.)

In diesem Zusammenhang bezeichnete Rocci die Globalisierungsform von MotionPoint als eine optimale Lösung mit einer Reihe leistungsstarker Technologien, die Unternehmen dabei unterstützen kann, diese Verbesserungen zu erreichen.

Von anpassungsfähigen Übersetzungslösungen und der Seitenzugriffe generierenden Technologie Global Sitemap, bis hin zu Lösungen für „sanfte“ Umleitungen wie EasyLink® und vielem mehr – die MotionPoint-Plattform ermöglicht es Unternehmen, auf intelligente Art die Anzahl der grenzüberschreitenden Seitenzugriffe und Umsätze in der Europäischen Union und darüber hinaus zu steigern.

Letzte Aktualisierung: 22. Juni 2016
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Über Dominic Dithurbide

Dominic Dithurbide hat seine Karriere als kreativer, zielorientierter Marketingleiter der Übersetzungsbranche gewidmet. Dominic bringt seine Fachkenntnisse in den Bereichen des globalen Marketings, der Nachfragegenerierung und Markteinführungsstrategien in das Marketingteam von MotionPoint ein.

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Marketing Manager

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